Philipp Lahm hat mit seinem Interview, das am Samstagmorgen nur wenige Stunden vor dem richtungsweisenden Spitzenspiel zwischen Bayern und Schalke in der SZ veröffentlicht wurde, eine Lawine losgetreten. Das steht fest. Nun streiten die Gemüter darüber, ob Philipp Lahm das Richtige getan habe oder nicht. Nicht gerade begeistert von dem Interview waren freilich die Vereinsbosse des einstmals gefürchteten Primus der Fußball Bundesliga. Einige Fans hingegen stellten sich demonstrativ hinter den Außenverteidiger des FC Bayern und dessen kritische Äußerungen über die fehlende Vereinsphilosophie, die inadäquate Spielerpolitik und die damit verbundenen Schwächen im Münchener Mittelfeld.
Klar ist, dass Philipp Lahm viel zu viel Fußballsachverstand besitzt, um irgendeinen Unsinn von sich zu geben. Das meiste von dem, was der Bayern-Spieler zur Situation des bayerischen Traditionsvereins sagte, war nicht falsch oder unwahr. Mit seiner Analyse traf er vielmehr den Kern der ganzen Problematik beim Rekordmeister. Nur war die Art, wie Philipp Lahm seine Vorgesetzten, seinen Trainer und vor allem seine eigenen Mitspieler vergraulte, äußerst fragwürdig.
Am Samstag äußerte ein Bayern-Spieler einen Satz, der das ganze Dilemma des FC Bayern München offenlegte. Es war, nein, nicht Philipp Lahm, sondern der Kapitän Mark van Bommel. Nachdem der Holländer kurz nach dem 1:1-Unentschieden zum wiederholten Mal von einem Reporter zum Interview von Philipp Lahm befragt wurde und er es bis dahin immer noch nicht gelesen hatte, stellte Mark van Bommel grimmig dreinschauend folgende Frage: „Aber was soll ich denn ihrer Meinung nach machen: Jemandem in die Fresse hauen?“ (Ob diese Frage rhetorischer Natur war oder nicht, sei einmal dahingestellt!)
Es war ein Satz, der die ganze Frustration versinnbildlichte, die beim FC Bayern momentan vorherrscht. Der Kapitän des zu sinken drohenden Schiffes fragte, ob die Journalisten ihm dazu raten würden, einem Mitspieler nicht nur auf, sondern gleich „in die Fresse“ zu hauen. Hätte Mark van Bommel vor dem Spiel das Interview von Philipp Lahm gelesen, wer weiß, vielleicht hätte er gar nicht mehr gefragt und wäre gleich zur Tat geschritten. Denn das, was er da zu lesen bekommen hätte, wäre durchaus nicht nach seinem Geschmack gewesen. Philipp Lahm kritisierte nämlich in seinem Interview vor allem das schwache Mittelfeld des FC Bayern und damit indirekt auch seinen eigenen Kapitän Mark van Bommel.
„Wir brauchen im Mittelfeld Spieler, die man aus der Abwehr immer anspielen kann. (…) Ich glaube einfach, unser größtes Problem liegt im Mittelfeld. Man macht uns ja den Vorwurf, dass wir zu viel hinten herum spielen.“ (Quelle: Sueddeutsche)
Die eigenen Mitspieler in einem Interview zu kritisieren, das kurz vor einem enorm wichtigen Spitzenspiel veröffentlicht wird, ist nicht unbedingt die feine englische Art. Philipp Lahm mag ja Recht haben mit seinen Äußerungen, nur derlei Dinge in aller Öffentlichkeit anzusprechen und breittreten zu lassen, war äußerst ungeschickt von ihm. Vielleicht wollte Philipp Lahm endlich etwas in Bewegung setzen, den sagenumwobenen Stein endlich ins Rollen bringen. Nur hätte er das besser intern gemacht und nicht in einem öffentlichen Interview, das nicht nur einen Stein ins Rollen gebracht, sondern gleich eine ganze Lawine ausgelöst hat, und zwar eine sehr bedrohliche.
In aller Öffentlichkeit den Vorstand und das Management für die verfehlte Spielerpolitik und das Fehlen einer klaren Philosophie an den Pranger zu stellen, ist darüber hinaus auch ein großes Tabuthema. In einem Verein gibt es nämlich einige ungeschriebene Gesetze, an die jeder Spieler sich halten sollte. Innerhalb des Teams, zu dem nicht nur die Spieler, sondern auch der Trainerstab, das Management und der Vorstand gehören, kann so viel Kritik geäußert werden, bis sich die Balken biegen. Sobald jedoch die Presse eingeschaltet wird, um herrschende Missstände anzuprangern, ist das besondere Verhältnis innerhalb eines Mannschaftsgefüges gestört, das wissen selbst die allermeisten Spieler aus den untersten Klassen.
Meiner Meinung nach hat Philipp Lahm also einen Fehler begangen, mag er auch in der Sache Recht haben. Einzig und allein geht es mir um das Wie. Es kann nicht sein, dass ein Spieler wie Philipp Lahm, der Verantwortung trägt und sich in den Dienst der Mannschaft stellen sollte, seine Vorgesetzten und seine eigenen Kameraden kritisiert, und das auch noch vor dem brisanten Spitzenspiel gegen den FC Schalke 04. Philipp Lahm hat sich unkollegial verhalten, deswegen gebührt ihm meines Erachtens zu Recht eine Strafe von mehreren 10.000 Euro.